Das Haushaltsproblem in Telgte einmal ganz genau

findet Ihr hier. Sicher nichts zum eben mal drüber sehen, wer aber Funktion des Haushaltes und Details wirklich verstehen möchte, ist hier richtig.

Der Bürgermeister hat dem Rat einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der zwar ein Defizit von 2,7 Millionen Euro auswies, jedoch „genehmigungsfähig“ war. Der Kreis prüft als kommunale Aufsichtsbehörde die verabschiedeten Haushalte seiner Städte und Gemeinden.

 

Das neue kommunale Finanzmanagement (NKF)

Mit der Einführung des NKF in der vorletzten Wahlperiode werden die Städte und Gemeinden wie Unternehmen behandelt. Wesentlicher Unterschied zur alten „haushälterischen Buchführung“ ist, dass das Vermögen der Stadt bei Einführung des NKF in einer Eröffnungsbilanz erfasst und wie in den Unternehmen jährlich in seiner Entwicklung fortgeschrieben wird. Die damit verbundene Abschreibung spiegelt den realen Wertverlust des Eigentums wieder (Gebäude, Straßen, Fahrzeuge und sonstige Sachwerte) und belastet entsprechend den Haushalt, wird also als „Minus“ ausgewiesen. Ausgeglichen ist ein Haushalt also nur, wenn er dieses Minus durch Investitionen oder Rücklagen ausgleicht. Der Sinn dahinter ist, dass die Städte nicht erst zusehen, wo sie Geld für eine neue Turnhalle herbekommen, wenn die alte zusammengebrochen ist, sondern den Wert durch laufende Sanierungen erhalten oder eben Rücklagen für einen Neubau bilden. In Telgte liegen die jährlichen bilanziellen Abschreibungen und die damit verbundene Belastung des Haushalt bei jährlich ca. 3,5 Millionen Euro. Da aber nicht erwartet wird, dass eine Gemeinde Jahr für Jahr diese Rücklage bringen kann, wurde für die Genehmigungsfähigkeit eine Toleranz eingebaut, die sich auch wieder am Vermögen orientiert: Der Haushalt darf ein Defizit ausweisen, solange es fünf Prozent des Vermögens nicht überschreitet. Das sind in Telgte zur Zeit knapp 2,8 Millionen Euro. Die Nutzung dieser Toleranz heißt „Rückgriff in die allgemeine Rücklage“, das Vermögen der Stadt verringert sich um den Betrag, zumindest auf dem Papier, da der Wertverlust, die Abschreibung eben nicht kompensiert wird.

 

Somit sind die Städte und Gemeinden seit Einführung des NKF mit dem Wertverlust ihres Vermögens direkt im Haushalt konfrontiert.

 

Die Ausgleichsrücklage

Da aber der Sprung sehr heftig, in Telgte eben 3,5 Millionen stark ist, haben die Gemeinden zur Einführung des NKF nochmal eine fiktive „Ausgleichsrücklage“ zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie etwas Zeit haben, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Aus dieser Ausgleichsrücklage können Gelder entnommen oder vielmehr rausgerechnet werden (weil eben fiktiv und nicht real) mit denen dann das Defizit ausgeglichen werden kann. Auch die Höhe der Ausgleichsrücklage orientiert sich am Vermögen der Stadt. Für Telgte betrug sie ca. 6,8 Millionen Euro.“Betrug“ ist hier das Stichwort. Die Ausgleichsrücklage ist in Telgte in den letzten drei Jahren verbraucht worden. Wir sagen das ganz deutlich: Der Rat hat sich darauf ausgeruht, obwohl allen klar gewesen sein muss, dass das Modell gegen die Wand fährt. Auch wir Grünen. Und auch noch angemerkt soll sein: Dr. Meendermann hat durchaus Jahr für Jahr auf das Problem hingewiesen. Aber´s ging ja.

 

Zurück zum Telgter Haushalt

Also, die bequeme fiktive Rücklage war weg. Die Verwaltung hat darauf reagiert, indem sie in der Planung des Haushaltes 2011 bereits 1,7 Millionen Euro gegenüber den Vorjahren gestrichen hat. Damit hätte sie einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen können. Ein wesentlicher Posten in den Einnahmen im Haushalt sind die „Schlüsselzuweisungen“ des Landes. Am 23. Dezember 2010 kamen die ersten Berechnungen für die Zuweisungen. Telgte bekommt für 2011 2,1 Millionen weniger, als 2010. Auch nach dem Abzug der dadurch verursachten Verminderung der Kreisumlage, reißt das immer noch ein Loch von weiteren 1,5 Millionen Euro.

 

Schlüsselzuweisungen nach Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

Das GFG regelt einen Ausgleich der Finanzmittel der Städte in NRW, da Einkünfte und Belastungen unterschiedlich sind und die einen dem anderen oft nicht entsprechen. Das Land profitiert vor allem durch die Einkommensteuer und verteilt einen Teil der Einkünfte (650 Millionen Euro) wieder an die Gemeinden und Städte. Es versucht, dies nach den realen Belastungen Letzterer zu tun. Zuweisungen für Schulaufgaben richten sich zum Beispiel nach den Schülerzahlen. Weitere Parameter (Schlüssel) sind Bedarfsgemeinschaften nach Hartz IV, Fläche der Gemeinde, Einwohnerzahl und Einiges mehr. Nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichts von 2006 entsprach die Verteilung nicht mehr der Realität. Das Gericht verlangte, die Belastungen neu zu werten. Im Fokus standen dabei die sozialen Aufwendungen. Die neue Landesregierung packte die Neugestaltung an und wertete, der Expertise des Ifo-Institutses entsprechend, die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften dreimal so stark wie vorher. Telgte hat (zum Glück) nicht so viele Bedarfsgemeinschaften, weshalb die Schlüsselzuweisungen (zum Unglück) erheblich sanken.

 

Nochmal zurück zum Telgter Haushalt

Nach dieser schlechten Nachricht gab es eine neue Haushaltsrunde, bei der weitere 400.000 Euro gestrichen wurden. Zur Deckung des verbleibenden Loches von 1,1 Millionen kam nichts anderes als Steuererhöhungen mehr in Frage. Die Verwaltung schlug vor, den Hebesatz für die Grundsteuern A (unbebaute Grundstücke, dies trifft vor allem die Landwirte) von bisher 210 auf 250, den Hebesatz für Grundsteuern B (bebaute Grundstücke, das trifft alle) von 401 auf 480 und den Hebesatz für die Gewerbesteuer von 403 auf 480 zu setzen.

 

Grundsteuern A

Die geplante Erhöhung der Grundsteuer A belastet die Landwirte durchschnittlich um 250 Euro pro Jahr. Das bringt für den Haushalt ca. 23.000 Euro.

 

Grundsteuern B

Die geplante Erhöhung der Grundsteuern B belastet alle, durch die Umlage in den Nebenkosten auch Mieter/innen, im Bereich zwischen 50 und 120 Euro pro Jahr. Sie bringt für den Haushalt 524.000 Euro. Dieser Posten ist wohl am wenigsten strittig, da hier die Leute die Last tragen, die auch von den „freiwilligen Leistungen“ profitieren.

 

Gewerbesteuern

Die Erhöhung der Gewerbesteuern trifft natürlich die Gewerbetreibenden und das in erheblichem Maße. Ein/e Gewerbetreibende/r mit einem Gewinn von 100.000 Euro pro Jahr muss 2.200 Euro mehr bezahlen und das aus der eigenen Tasche. 100.000 Euro klingt viel, müssen sie aber nicht sein, da bei der Gewerbesteuerberechnung Schuldendienste aus Investitionen nicht berücksichtigt werden und Selbstständige sich und ihre Familien in allen Bereichen von ihrem Gewinn selbst versichern müssen. Auch ein Gewinn von 200.000 Euro muss vor diesem Hintergrund nicht riesig sein. Ein weiteres häufig verwendetes Argument gegen hohe Gewerbesteuern ist die Konkurrenzsituation zwischen den Gemeinden. Aber: Starke Schultern sollen auch mehr tragen und die Unternehmen profitieren von der Wirtschaftsförderung der Stadt und von einem funktionierenden und attraktiven Umfeld. Die geplanten Erhöhungen der Hebesätze bringen für den Haushalt 500.000 Euro.

Wieder zurück zum Haushalt in Telgte

Diese Steuererhöhungen wollen CDU, SPD und FDP nicht mit gehen. Alle drei Parteien beantragten auf in der Finanzausschusssitzung am 31.3. eine Festsetzung auf die „fiktiven“ Hebesätze des Landes. Da die Parteien eben zu dritt waren, wurden die Anträge angenommen. Dies riss eben wieder das Haushaltsloch von 1,1 Millionen auf.

 

Die fiktiven Hebesätze

Das Land legt ihren Berechnungen zu den Schlüsselzuweisungen jedes Jahr Hebesätze fest, die es für sinnvoll hält, mit denen sie Standards setzt. Für den, der Hebesätze unterhalb dieser fiktiven Hebesätze festlegt, wird trotzdem bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen das Steueraufkommen der fiktiven Hebesätze angerechnet, so dass die Stadt die Differenz aus eigener Tasche zahlen muss. Für 2011 hat das Land die Hebesätze angehoben auf: Grundsteuer A: 210, Grundsteuer B: 413, Gewerbesteuer: 411. Nach diesen Hebesätzen haben sich CDU, SPD und FDP gerichtet.

 

Und zum letzten mal zurück nach Telgte

Im Gegenzug legte die CDU einen Strauß von fast vierzig Anträgen vor, die nominal 850.000 Euro weiterer Einsparungen bringen sollten. Allerdings hielten die Anträge schon der ersten Prüfung nicht stand. Entweder waren sie nicht realistisch oder sie brachten nichts für den Haushaltsausgleich. Eine weitere Staffel berührte nicht den Haushalt 2011. Die Anträge wurden zurückgezogen, relativiert oder abgelehnt. Schließlich ergaben sich Mehreinnahmen und Einsparungen von 134.000 Euro. Auch diese sind nicht realistisch. Genaueres dazu ab heute Abend auf unserer Homepage: www.gruene-telgte.de. Eine richtige Frechheit Volker Herwings war es, in der Finanzausschusssitzung am 7.4. zu behaupten, die CDU habe Anträge zum Ausgleich der verringerten Steuersätze vorgelegt, die samt und sonderst abgelehnt worden seien. Die Wahrheit ist: Entweder befindet sich die CDU in glückseliger aber gleichwohl profunder Unkenntnis der Funktionsweisen eines städtischen Haushalts oder die Anträge wurden unter Kenntnis ihrer Untüchtigkeit eingebracht. Das Eine ist nicht rühmlicher als das Andere. Als das durch und damit klar war, dass wir so keinen genehmigungsfähigen Haushalt 2011 bekommen, stellte die SPD einen absolut hilflosen Antrag: Die Verwaltung soll nochmal nach dem Rasenmäherprinzip 3% aus dem Haushalt streichen und ihn am 7.4. noch einmal vorlegen. Dies war schlechterdings unmöglich, da große Blöcke des Haushalts fest liegen. An der Kreisumlage ist um keinen Cent zu rütteln, die Personalkosten unterliegen tariflichen und vertraglichen Verpflichtungen und die Gelder für Schulen und Kindertagesstätten durchlaufen zwar den Haushalt sind aber gespeist von Geldern des Landes und des Kreises, die natürlich weder gekürzt noch umgeleitet werden können. Auch dieses müsste und sollte der SPD klar gewesen sein. In der Sitzung am 7.4. wurde schnell klar, dass das Ziel auf dem Weg nicht erreicht werden kann, ebenso dass weder CDU noch SPD beabsichtigen, sich in der Steuerfrage zu bewegen. Die Sitzung wurde ohne Beschluss beendet und genau da stehen wir jetzt.

 

Ohne Steuererhöhungen wird 2011 kein genehmigungsfähiger Haushalt zu schaffen sein. Die anderen Parteien favorisieren den Gang in die Haushaltssicherung. Doch was wird das bedeuten?

 

 

Haushaltssicherung droht

 

Haushaltssicherung bedeutet, dass die Stadt dem Kreis ein Konzept vorlegen muss, nachdem sie innerhalb von drei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt schaffen kann. Das bedeutet zu den immer noch fehlenden fehlenden 900.000 Euro weitere 2,7 Millionen (pro Jahr!), da der Rückgriff in die allgemeine Rücklage nicht mehr möglich wäre. Dies könnte nur durch drastische (komplette) Einsparungen in den freiwilligen Leistungen gelingen. Das hieße tatsächlich Schließung der öffentlichen Einrichtungen wie Freibad, Heimathaus, Musikschule, Bücherei, Stadttouristik und Streichung der Förderung für Vereine. Wir würden einen großen Teil dessen verlieren, was in Jahrzehnten in Telgte aufgebaut worden ist. Doch selbst dann ließe sich das Defizit nicht decken und am Ende hieße es doch: Steuererhöhungen.

 

Nichts wäre gewonnen durch eine Haushaltssicherung aber viel ginge verloren.

 

Die Haushaltssicherung ist nur die schlechtere Version von Steuererhöhungen.

 

Liebe Telgterinnen und Telgter!

 

Diese Haushaltsprobleme sind nicht Hausgemacht. Sie resultieren aus Aufgabenverschiebungen von Bund und Land zu Ungunsten der Kommunen. Wir Grüne wollen die Stadt über die Zeit bringen, so gut es eben geht. Im Vordergrund stehen für uns dabei die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger.

 

Dagegen stehen die Parteien, die in der letzten Wahl für ihre Bürgerferne abgestraft worden sind und die ihren Hebel zur Demontage vor allem Wolfgang Piepers in diesem Haushalt sehen. Und abermals verlieren sie die Stadt und die Leute dabei aus den Augen.

 

Liebe Telgterinnen und Telgter!

 

Vor einem Jahr haben Sie Wolfgang Pieper mit überwältigender Mehrheit zum Bürgermeister gewählt. Er war kein Zauberer, ist keiner und wird auch keiner werden. Aber er ist ein hervorragender Bürgermeister, der die meisten seiner Vorgänger wenn auch nicht überragt, so doch übertrifft. Die Aufbruchstimmung des letzten Jahres ist der Normalität gewichen aber seit dem leistet Wolfgang Pieper sehr gute Arbeit und er wird es weiter tun. Helfen sie uns, ihm den notwendigen Spielraum zu bewahren.

 

Streiten Sie mit uns!

 

 

Ihre Grünen in Telgte

 

 

Kategorie

Haushalt 2011

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