Wie funktioniert Mobilität in 20 Jahren?
Eine junge Frau macht sich fertig zum Ausgehen, drückt auf ihr Smartphon, drei Minuten später erscheint ein kleines fahrerloses CO2-neutrales Auto und bringt die Dame schnurstracks an ihr Ziel.
Jede*r kennt das! Die Autoindustrie hat den Clip bereits erfolgreich in unsere Köpfe gehämmert. Was nicht gesagt wird: Das muss auch bezahlt werden. Die Autoindustrie hat gewiss nicht vor, in 20 Jahren weniger zu verdienen als heute. Zur Beruhigung – falls das jemanden beruhigt – wird uns vorerst erzählt, wir könnten das größtenteils mit unseren Daten bezahlen, indem das fahrerlose Auto uns ausfragt und vielleicht noch was aufschwatzt.
Und die Wirklichkeit? Auch wenn diese – nennen wir es ruhig mal „Vision“ - schon in allen Köpfen verankert ist, steckt die Technik noch in den Kinderschuhen, ganz zu schweigen von der Infrastruktur. Autonomes Fahren auf der Basis von Sensoren, bei dem die Fahrzeuge sowohl bei Schnee, als auch bei 40 Grad Hitze sicher ihren Weg finden, ist kaum zu realisieren. Dafür müssen alle Verkehrsteilnehmer*innen untereinander kommunizieren, berechenbare Signale aussenden. Auch alle Fahrräder und Fußgänger*innen. Es müssen flächendeckend Leitsysteme installiert, die Fahrzeuge zur Verfügung gestellt und das System angenommen werden. Völlig ausgeblendet wird, dass ein solches System nach wie vor massiv Ressourcen verbraucht.
Genau umgekehrt verhält es sich bei der Schiene. Die gesamte Infrastruktur ist vorhanden, nur leider keine Vision. Eine voreingestellte App, die uns ohne weitere Eingabe immer alle Verbindungen in unserer Stadt anzeigt? In der wir die gewünschte Verbindung nur anklicken müssen, damit wir sehen, wo die Bahn sich genau befindet und wie voll sie ist? Wird diese Vernetzung auch auf die Anbieter ausgeweitet, damit sie flexibel reagieren und nach Bedarf Züge verlängern oder weitere Busse einsetzen können? Nein, leider nicht! Haben wir einen Chip in der Tasche, den wir nicht einmal rausholen müssen, damit immer der günstigste Fahrpreis berechnet und direkt abgebucht wird? Haben unsere Fahrräder einen solchen Chip? Nein, leider auch nicht! Wird uns das zweite Gleis versprochen oder wenigstens einige Ausweichpunkte, damit sich Verspätungen nicht ständig potenzieren? Gibt es Wettbewerbe für Verkehrsplaner*innen, um andere Probleme zu lösen und Innovationen zu finden? Leider nicht!
Es gibt solche Visionen! In einzelnen Verkehrsplanungsbüros und ansatzweise auch in staatlichen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Allein, keine*r kennt sie. Auch nicht die Leute, die im Augenblick auf den Bahnsteigen auf die Eurobahn warten. Die interessiert das gerade auch nicht. Sie wollen nur, dass der Zug pünktlich kommt. Immer! Und viele von denen sind Überzeugungstäter*innen, die ihr Auto zu Hause haben stehen lassen oder vielleicht sogar gar keins besitzen, weil sie die Fahrt mit dem Zug für bequemer, ökologischer und unterstützenswerter halten. Leider kommen viele von diesen derzeit an ihre Grenzen: Wer pünktlich zu einem Termin erscheinen muss, Klausur, Meeting, Seminar oder vielleicht nur eine*n schlecht gelaunte*n Chef*in hat, fährt besser mit dem Auto.
Die Vision wäre fürs Erste, eine Vision zu erschaffen und zu verbreiten. Das aber scheint in weiter Ferne zu sein. Die Stufe drei Etagen tiefer wäre dafür zu sorgen, dass die Züge pünktlich kommen und wenigstens das überzeugte Klientel bei der Stange gehalten wird. Klappt aber auch nicht. Was wir derzeit sehen ist das Gegenteil der Verkehrswende: Es wird den Leuten gezeigt, dass eine zukunftsfähige Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht funktioniert. Sie werden zurück auf die Straße geschubst. Die ausführenden Organe machen alles kaputt!
Es geht um die Pünktlichkeit der Eurobahn. Es geht aber auch um viel mehr!
Gerd Klünder